3.
Eine-Welt-Filmpreis
NRW beim Fernsehworkshop Entwicklungspolitik
Zum dritten Mal konnte während
des Fernsehworkshop Entwicklungspolitik, der vom 24.-27.06.2005 in der Ev.
Akademie Arnoldshain stattfand, der Eine-Welt-Filmpreis NRW verliehen
werden. Der Preis ist mit 3.000 EUR, 2.000 EUR und 1.000 EUR dotiert.
Der Fernsehworkshop
Entwicklungspolitik, ein Zusammenschluss von Organisationen aus der
Entwicklungszusammenarbeit, der interkulturellen Bildungsarbeit und dem
Film- und Fernsehbereich, stellt regelmäßig aktuelle Film- und
Fernsehproduktionen zu Nord-Süd-Themen vor. In diesem Jahr wurde das
Programm durch ein Podiumsgespräch ergänzt, in dem es um die Frage ging:
Nord-Süd in den Medien – Chance auf Quote? Inge Altemeier, Filmemacherin
aus Hamburg, Dominique Mann, Pressereferent von Brot für die Welt, Roberto
Sanchez, Redakteur beim „Auslandsreporter“ des SWR, und Prof. Dr. Klaus
Stanjek, Professor für Dokumentarfilm an der Hochschule für Film und
Fernsehen Potsdam-Babelsberg diskutierten auch über die Möglichkeiten für
junge Filmschaffende Filme zu Nord-Süd-Themen zu positionieren und wie
Energien gebündelt werden können, das kreative Potential sichtbar zu
machen.
Die Jury hatte neben der
Vergabe des 3. Eine-Welt-Filmpreises NRW auch die Aufgabe, weitere Filme für
die Bildungsarbeit zu empfehlen.
Die Jury: Ulla
Hocker, Redakteurin arte Deutschland, Baden-Baden; Reinhard Kleber, Journalist,
Bonn; Klaus Ploth, Ev. Medienzentrale, Nürnberg; Alice Schmid, Filmemacherin,
Zürich; Joachim Ziefle, Melanchthon Akademie, Köln.
Die Jury betonte
das hochwertige Angebot des Programms. Die hohe Dichte von Film- und
Fernsehproduktionen zu wichtigen Themen in qualitativ anspruchsvoller
Bearbeitung sei bemerkenswert. Filme zu Nord-Süd-Themen, immer wieder als
Nischenthema dargestellt, präsentierten sich während des Fernsehworkshop
Entwicklungspolitik als höchst lebendig und in großer Vielfalt. Den
Reichtum an Autorenfilmen, deren Sichtweisen auf Probleme sich als
engagierte Auseinandersetzung mit Wirklichkeit und Bereicherung für die
ZuschauerInnen darstellt, hob die Jury besonders hervor. Die Arbeiten junger
Filmemacherinnen und Filmemacher, die auch gut im Programm vertreten waren,
wurden als große Bereicherung wahrgenommen und besonders gewürdigt.
Der
3. Eine Welt Filmpreis NRW geht an:
1.
Preis:
Memories
of Rain - Szenen aus dem Untergrund
Gisela Albrecht, Angela Mai. Deutschland 2003, 107 min.
Der Film erzählt die Geschichten von Jenny Cargill und Kevin
Quobosheane, die beide in führender Position beim Nachrichtendienst des
bewaffneten Flügels des African National Congress (ANC) gegen den
Apartheidstaat gekämpft haben. Es ist eine sehr persönliche Geschichte,
von der Jenny und Kevin berichten, wenn sie von den Jahren aus dem
Untergrund erzählen; eine Geschichten von Angst, Isolation und Einsamkeit;
vom Leben zwischen waghalsiger Risikobereitschaft und rigidem
Sicherheitsbewusstsein; aber es ist auch eine Geschichte von Mut und
Aufopferung, von beflügelnder Aufbruchstimmung, im revolutionären Elan der
begeisterten Hingabe an die Vision einer gerechten Gesellschaft. Und es ist
auch eine Geschichte der rückblickenden Fragen an die Methoden des
Widerstandes, der schrittweisen Entdeckung der Verantwortung für die eigene
Person und das eigene Handeln im Rahmen des kämpfenden Kollektivs, eine
Geschichte von Schmerz, Schuld und Zweifel angesichts der Widersprüche, in
die der bewaffnete Kampf führte und an denen die Ideale, um deretwillen
Jenny und Kevin und ihre Gefährten sich dem Widerstand angeschlossen hatten
– auch der Impuls von Menschlichkeit und Empathie – zu zerbrechen
drohten.
Die Begründung der Jury:
Der intelligent gemachte Film gibt anschaulich, kenntnisreich und spannend
Einblicke in die Geschichte der Apartheid in Südafrika. Nah an den Personen
wird der Zuschauer in deren Geschichte und Erfahrungen hineingezogen. Neben
den Hauptprotagonisten werden die weiteren Personen formal geschickt und
zuschauergerecht eingeführt. Den Filmemacherinnen, die über zehn Jahre
lang an ihrem Film gearbeitet haben, ist eine einzigartige Langzeitstudie
gelungen, die über die konkrete Geschichte des Kampfes gegen die Apartheid
hinaus beispielhaft für die Aufarbeitung von Geschichte ist. Auch dieser
Einsatz der Autorinnen soll mit dem Preis gewürdigt werden. (Verleih:
EZEF)
2.
Preis:
Rain
ist Falling
Holger Ernst. Deutschland 2004, 15 min.
Irgendwo
im Norden Afrikas. Ein Mädchen arbeitet schwer, um Wasser nach Hause zu
tragen und sich um ihre kranke Mutter und den Haushalt zu kümmern. Wasser
spielt eine metaphorische Rolle in dem kurzen Spielfilm. Als essentieller
Teil des täglichen Lebens kann es nicht als selbstverständlich gelten,
sondern es kostet Mühe und Aufwand es zu besorgen. Das Elixir des Lebens
kann aber auch schnell zur Bedrohung werden. Und so wie nur Kinder es können,
findet das Mädchen eine einfache Lösung, um den „Kreislauf“ zu schließen.
Die Begründung
der Jury:
Der
Kurzspielfilm, an der HFF Potsdam-Babelsberg entstanden, ist ein kleines
Kunstwerk, das den Zuschauer emotional fesselt. Der klar aufgebaute und
sorgfältig gemachte Film, der ohne Sprache auskommt, ermöglicht, sich
neben der Wasserthematik mit Themen wie Lebensbedingungen, Fürsorge, das frühe
Erwachsenwerden zu befassen. Die ausdrucksstarke kleine Protagonistin erzählt
ein ganzes Leben. So wird der Film auch zu einer bildhaften Parabel über
die Existenzhaftigkeit des Menschen. (Verleih: HFF Potsdam-Babelsberg)
3. Preis:
Der
3. Preis wurde an zwei Filme vergeben:
Barrio
Pablo Escobar
Jan Gabriel. Deutschland 2005, 60 min.
Vor 20 Jahren baute der Chef des
Medellíner Kokainkartells Pablo Escobar für die Bewohner einer staatlichen
Müllkippe ein Stadtviertel. Bis heute – 10 Jahre nach dem Tod Escobars
– hat der kolumbianische Staat das Viertel seines Erzfeindes nicht
anerkannt und die 12.000 Bewohner leben in der Illegalität. Das Barrio
Pablo Escobar ist auf keinem Stadtplan zu finden.
Die Begründung der Jury:
Dem Film von Jan Gabriel und seiner Regieassistentin Catalina Florez
Ibarra, der an der Filmakade-mie Baden-Württemberg entstanden ist, macht
die komplexe Problematik Kolumbiens am Beispiel eines Medellíner Viertels
sichtbar. Dabei wird eine positive Entwicklungsmöglichkeit deutlich, der
Versuch des basisdemokratisch gewählten Bürgermeisters nämlich, sich für
die Emanzipation der sozialen Randgruppe einzusetzen und für die
Legalisierung des Barrio zu kämpfen. Dem Film gelingt es, die latente
Aggression in der durch Gewalt geprägten Gesellschaft durchscheinen zu
lassen, ohne Gewalt selbst zu zeigen. In teilnehmender Weise – und ohne
auf Humor zu verzichten – zeigt der Film in großer Nähe zu seinen
Protagonisten die menschliche Bewältigung extrem schwieriger Situationen.
und
Arlit
- das zweite Paris
Idrissou Mora-Kpai. Benin, Frankreich 2005, 78 min.
Der Film ist das Porträt einer Grenzstadt in der Wüste Nigers und des
alten Issa, der ein letztes Mal dorthin reist, um seinen Sohn und seine
Freunde von früher zu besuchen. Die Stadt Arlit verdankt ihre Entstehung
den Uranminen und der Einwanderung und war einst eine blühende Oase, Ziel
von Glücksrittern und für viele Afrikaner ein zweites Paris. Die Aufstände
der Tuareg und der Verfall des Uranpreises änderten die Situation völlig.
Heute erlebt Arlit einen umgekehrten Trend. Als letzte schwarz-afrikanische
Stadt auf dem Weg durch die Sahara nach Europa ist sie aufgrund ihrer
geographischen Lage ein beliebter Ort für alle, die aus dem Süden kommen
und in den Norden wollen. In den westlichen Medien werden diese Menschen oft
als unerwünschte illegale Migranten dargestellt und nur selten als
Individuen, die inmitten der globalen Probleme wie Armut, Trennung und Exil
eine persönliche Geschichte haben.
Die Begründung der Jury:
Der Film des aus Benin stammenden Filmemachers Idrissou Mora-Kpai ermöglicht
europäischen Zuschauern einen Perspektivwechsel auf die Auswirkungen der
Globalisierung, wie sie hier am Beispiel des Ortes Arlit geschildert werden.
In seinem langsam erzählten Film gelingt es dem Regisseur, einen
Spannungsbogen zu erzeugen, der sich über die Personen, die man während
des Films kennen lernt, entwickelt und zu einer Geschichte zusammenzufügen.
Der dramaturgisch stringente Film beschränkt sich auf das Wesentliche und
ermöglicht durch seine andere Sichtweise, die einen starken Ausdruck findet
und poetisch verflochten ist, Stimmen wahrnehmbar zu machen, die für Europäer
kaum hörbar sind. (Verleih: Freunde der deutschen Kinemathek, EZEF)
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Die Empfehlungen:
Die
glücklichsten Menschen der Welt
Shaheen Dill-Riaz. Deutschland 2004, 30 min. Kurzfassung
In
ihrer Umfragen nach den glücklichsten Menschen der Welt vergibt die London
School of Economics diesen Titel ausgerechnet an Bangladesh, ein Land, das
wir vor allem mit ständig wiederkehrenden Naturkatastrophen und politischen
Unruhen verbinden und das außerdem zu den ärmsten der Welt zählt. Wo soll
dort das Glück zu finden sein? Der bengalische Nachwuchsregisseur Shaheen
Dill-Riaz kehrt nach zehn Jahren in Deutschland zurück in seine Heimatstadt
Dhaka – in die Hauptstadt des vermeintlichen Paradieses. Dort begleitet er
drei junge Leute auf ihren Wegen durch den chaotischen Moloch und zeigt ihre
unterschiedlichen Strategien, das Leben zu meistern oder doch wenigstens
irgendwie klar zu kommen.
Begründung der Jury:
Nach einem originellen Einstieg gelingt es dem Film schnell und gut an
seine Protagonisten heranzuführen und ihnen in kurzer Zeit Tiefe zu geben.
In der variantenreichen Reflexion über den Begriff Glück stehen die Träume,
Sehnsüchte und Konflikte von Individuen im Mittelpunkt, ihre Lösungsansätze
und Zukunftsperspektiven, ohne die problematischen Seiten der bengalischen
Gesellschaft zu verdecken.
Fremde
Kinder: Raure, Erlik und ihr Land
Barbara Sackl. Deutschland, Österreich 2004, 30 min.
Der zwölfjährige Raure und sein Cousin Erlik leben in San
Miguel Huaixtita, hoch oben in den Bergen der mexikanischen Sierra Madre.
Sie gehören zur Ethnie der Huichol-Indianer, die sich seit dem Einfall der
spanischen Eroberer aus ihren angestammten Gebieten in die entlegenen und
unwirtlichen Bergregionen zurückgezogen haben. So konnten sie sich große
Teile ihres reichen kulturellen und spirituellen Erbes bewahren. Auch Raures
und Erliks Alltag ist stark von Traditionen, Ritualen und dem Glauben an die
alles bestimmenden Naturgewalten geprägt. Sie erzählen von den Aufgaben,
die Kinder innerhalb der Dorfgemeinschaft übernehmen, von Schule und
Freizeit und besuchen gemeinsam Raures Großvater, den Schamanen des Dorfes
im geheiligten Tempel der Huicholes.
Begründung der Jury:
Der Film stellt die Lebensumstände
der Huichol-Inianer anschaulich und mit schönen Bildern dar. Die beiden
Jungen sind authentische Vertreter ihres Volkes, die mit Humor – und
kindlichem Mut – ihre Lebensumstände schildern. Da sich der Film vollständig
auf die kindliche Perspektive einlässt, ist er auch besonders gut für
Kinder geeignet.
Leben
außer Kontrolle
Bertram Verhaag, Gabriele Kröber. Deutschland 2004, 60 min.
Mitte der 80er Jahre findet die Wissenschaft mit der
Gentechnologie den Schlüssel, sich die Erde und vor allem ihre Geschöpfe
endgültig untertan zu machen. Plötzlich schien alles möglich. 20 Jahre spä-ter
wird die fortschreitende Genmanipulation bei Pflanzen, Tieren und Menschen
deutlich: Wegen einer katastrophalen Ernte mit gentechnisch veränderter
Baumwolle stehen viele indische Bauern vor dem Ruin, verkaufen eine Niere
oder begehen Selbstmord. In Kanada weht genmanipulierter Raps-samen auf die
Felder der benachbarten Biobauern und macht damit den ökologischen Anbau
unmög-lich. Genmanipulierte Fische brechen aus speziellen Zuchtbecken aus
und vermischen sich mit ihren Artgenossen – ohne dass die Folgen auch nur
in Ansätzen bekannt wären. Weltweit bieten nur eine Handvoll
idealistischer Wissenschaftler der Industrie die Stirn und untersuchen –
unabhängig von deren Geld – die Auswirkungen transgener Tiere und
Pflanzen auf die Umwelt und auf unsere Gesundheit, wenn wir diese
genmanipulierten Lebensmittel zu uns nehmen.
Begründung der Jury:
Der Film versteht es, komplexe
Sachverhalte anschaulich, nachvollziehbar und spannend darzustellen und
eignet sich ganz besonders als Einstieg in die Problematik. Starke
Protagonisten führen durch den Film, und es wird deutlich, dass deren persönliche
Geschichten in letzter Konsequenz jeden von uns betreffen. Globale
Auswirkungen von wirtschaftlichen Entscheidungen werden offen gelegt und in
ihrer Tragweite verdeutlicht.
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nano:
Architekturpreis für Dorfschule
Christine Daum. Deutschland 2994, 7 min.
Der Berliner Architekt Francis Kéré, hat den höchstdotierten
Architekturpreis der Welt, den Aga-Khan-Preis, für eine kleine Dorfschule
in Gando, Burkina Faso, bekommen. Die Idee, eine Schule zu bauen, die unter
den klimatischen Bedingungen funktioniert und billig ist, hatte er während
seines Studium entwickelt. Kéré, der in Gando geboren wurde, ist der
einzige aus dem Dorf, der jemals studiert hat. Seinem Heimatdorf nach wie
vor eng verbunden wollte er das, was er in Europa gelernt hatte, zurückbringen.
Kéré plant mittlerweile in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos,
einen neune Bezirk für 40.000 Menschen. Auch hier will er mit lokalen
Materialien arbeiten und die Menschen einbeziehen.
Die Begründung der Jury:
Der kurze Magazinbeitrag stellt eine
positive Perspektive vor, indem ein neues architektonisches Konzept
initiiert wird, in das ein ganzes Dorf einbezogen ist. Dieser
zukunftsweisender Ansatz soll hervorgehoben werden.
die
story: Die Sibirien-Connection. Die WestLB macht in Öl
Detlef Flintz. Deutschland 2005, 43 min.
Mitten in der menschenleeren sibirischen Taiga liegt eines der größten
und zugleich am stärksten verschmutzten Ölfördergebiete der Welt.
Trinkwasser und Nahrungsmittel in der Region sind verseucht, die
Krebskrankheiten nehmen dramatisch zu. Seit dem Zusammenbruch der
Sowjetunion betreiben private Konzerne das lukrative Geschäft mit dem
Rohstoff und sie nehmen keine Rücksicht auf die Umwelt: Ausgelaufenes Öl
nach Pipelinebrüchen entsorgen sie häufig nicht, sondern lassen es einfach
mit Sand zuschütten. Viel Geld wird in die Erschließung neuer Ölquellen
gepumpt, statt marode Anlagen zu sanieren. Zu den bedeutendsten Finanziers
der russischen Ölfirmen zählt seit Jahren die Westdeutsche Landsbank, die
u.a. dem Land Nordrhein-Westfalen gehört. Was die breite Öffentlichkeit
nicht ahnt: noch während der Ecuador-Diskussion beteiligte sich die WestLB
an einem Kreditarrangement für einen russischen Ölförderer – ein Großkredit,
nicht mit Umweltauflagen für ein bestimmtes Projekt, sondern Geld zur
freien Verwendung. Nach WDR-Recherchen hat die WestLB von 1998 bis heute
alleine oder mit Partnerbanken Kredite für die russische Ölindustrie im
Milliardenwert arrangiert.
Die Begründung
der Jury:
Die allgemeingültigen Themen Wasser, Öl und Tod stehen im Mittelpunkt der
informativen und spannenden Reportage. Der Bezug zu uns macht den Film zu
einem wichtigen Beitrag in der Globalisierungsdebatte