7.
Eine-Welt-Filmpreis
NRW
Zum 7. Mal wird im Rahmen des Fernsehworkshop Entwicklungspolitik der Eine-Welt-Filmpreis
NRW verliehen. Der Preis wird von der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien
des Landes Nordrhein-Westfalen
gestiftet und
ist mit 5.000 €, 3.000 € und 1.500 € dotiert.
1.
Preis: Raising Resistance von Bettina Borgfeld und David Bernet
2.
Preis: Tödliche Hilfe von Raoul Peck
3. Preis: Der Vorführer von Shaheen Dill-Riaz
Lobende Erwähnung: Forbidden Voices von Barbara
Miller
Die Jury hat außerdem die Aufgabe, außergewöhnliche
Filme für die Bildungsarbeit zu empfehlen
Mitglieder
der Jury
Dr.
Barbara Kamp Methode
Film. Kurzfilme und Konzepte, Bad Vilbel
Dr. Boniface Mabanza Kirchliche
Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA)/WOEK, Heidelberg
Margit Maximilian Redaktion
Zeit im Bild ORF, Wien
Beatrice Möller Filmemacherin,
Berlin
Hans Stehling Deutsche
Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), Eschborn
Die
Begründungen
1.
Preis:
Raising
Resistance
David
Bernet, Bettina Borgfeld. Deutschland,
Schweiz 2011, 84 min.
Begründung
der Jury:
Die Globalisierung in einer Bohne. Der Siegeszug der Sojabohne um die
Welt ist grenzenlos. Welche Auswirkungen er jedoch dort hat, wo die Bohne
wächst und wo vorher anderes wuchs: Das zeigt der Film „Raising
Resistance“ von Bettina Borgfeld und David Bernet eindringlich. Die
Autoren sind nah bei den Beteiligten, die eindeutige Stärke der
Produktion. Sie hören den Kleinbauern zu, den Campesinos, die von der
kilometerlangen Soja-Monokultur rund um ihr Dorf und ihre Felder
berichten, von den eingesetzten Pestiziden, die ihre eigene Ernte schädigen.
Ebenso nah kommt der Zuschauer den Bauern, die sich dem genveränderten
Sojaanbau verschrieben haben. Auch sie sind Abhängige der Globalisierung,
müssen säen und ernten, um den Kredit zu bedienen, den sie für Saatgut
und Agrochemie aufgenommen haben. Und dann sind da auch noch
Wissenschaftler, die den Fortschritt der Gentechnik erklären, Börsenspekulanten,
die ihren Stress mit Warentermingeschäften erläutern – sie kommen alle
vorurteilsfrei zu Wort. Sie schildern jeweils ihre Zwänge und Abhängigkeiten,
denen sie unterliegen. Doch ist das Autoren-Duo Borgfeld-Bernet mit ihrer
Empathie bei den Campesinos und ihrem charismatischen Sprecher, Gerónimo
Arevalos – wenn sie mit ihren Protesten die Produktion der Bohne auf den
Feldern in ihrer Nachbarschaft behindern und so eine Unwucht in die
Globalisierung bringen.
2.
Preis:
Tödliche
Hilfe - Assistence Mortelle
Raoul
Peck. Frankreich,
Haiti, USA, Belgien 2012, 99 min. OmU
Begründung
der Jury:
Raoul Peck gehört ohne Zweifel zu den Menschen, die in der
unbeschreiblichen Katastrophe in Haiti nach dem Erdbeben eine Chance
sahen: Chance auf einen Neubeginn, Chance auf die Behebung der Versäumnisse
und Ungerechtigkeiten der Vergangenheit. Dies lässt er zumindest in
seinem Film „Tödliche Hilfe“ deutlich erkennen. Mit ergreifenden
Bildern zeigt er die Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft. Diese
verspricht astronomische Summen, die bis heute nie flossen oder zumindest
nicht dahin, wo sie gebraucht wurden. Raoul Peck kommt auf eindrucksvolle
Art dieser Mobilisierung in und für Haiti auf die Spur und versucht, die
Machtverhältnisse aller beteiligten Akteure und deren zum Teil widersprüchliche
Motivationen zu beleuchten. Er porträtiert einerseits die Interessen der
Großmächte und NGOs, andererseits die Verzweiflung und die Wut der in
ihrer Würde tief verletzten BürgerInnen Haitis. Es gelingt ihm, Schlüsselmomente
in der Chronologie der Ernüchterung, der Überforderung und des
Selbstbetrugs der Entwicklungshilfeindustrie in Haiti zu dokumentieren und
zu vermitteln. Durch die erzählerischen Elemente, die verschiedene
Zusammenhänge bündeln, werden die ZuschauerInnen gut mitgenommen. Über
Haiti hinaus stellt der Film einen guten Beitrag zur kontrovers geführten
Diskussion um Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der
Entwicklungszusammenarbeit dar, wobei er auch die Wechselwirkungen
zwischen Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit reflektiert.
3.
Preis:
Der Vorführer (aus
der Reihe: Fremde Kinder)
Shaheen
Dill-Riaz. Deutschland 2012, 29 min.
Begründung
der Jury:
Ein
kleiner Junge mit schlechten Zähnen in zerrütteten Familienverhältnissen,
durch die Not zur Arbeit gezwungen: was klingt wie ein Sujet zur
Spendenwerbung ist genau das nicht. Ja, Rakib ist arm. Aber er ist ein
Junge wie andere auch. Er lacht und er weint, er ist erwachsen und auch
wieder nicht. Er liebt die berühmten Bollywood-Filmstars, die triefenden
Texte ihrer Songs kann er auswendig. Und doch will er nicht unbedingt so
werden wie sie. Manchmal, sagt Rakib, freue ihn die schwierige Arbeit in
dem alten Kino und manchmal auch nicht. Filmautor Shaheen Dill-Riaz gibt
nichts vor, er wertet und belehrt nicht. Sein liebevoller Blick lässt uns
eintauchen in eine längst vergangene Kinowelt, in die Welt eines Kindes
in Bangladesch, die fremd ist und doch so nah.
Lobende
Erwähnung:
Forbidden
Voices
Barbara
Miller. Schweiz 2012, 92 min.
Begründung
der Jury:
Was es bedeutet, heutzutage Widerstandskämpferin in Kuba,
China und dem Iran zu sein, beleuchtet der beeindruckende Dokumentarfilm
von Barbara Miller in einer großen Nähe und Sensibilität. Eindringlich
verwebt der Film den Alltag dreier mutiger Bloggerinnen, die Dank der
zunehmenden globalen Bedeutung von sozialen Medien Missstände in ihren Ländern
anprangern und somit eine Stimme bekommen. Miller schafft es, den Frauen
trotz Gefahren in ihren Ländern sehr nah zu kommen, und beschreibt ihr
Leben als Aktivistinnen und die Konsequenzen, die sie dadurch tragen müssen.
Nach und nach versteht der Zuschauer die Dimension ihrer Arbeit, die
enorme Resonanz, aber auch die Gefahr, in der sie sich tagtäglich
bewegen. Der Preis, den die Frauen zahlen, ist hoch. Selbst in China, wo
ein Dreh fast unmöglich ist, schafft es Miller, Material und Interviews
der Bloggerin Zeng Jinyan zu organisieren, was Dank Skype und sozialen
Medien heute möglich ist. So können wir den einzelnen Heldinnen sehr nah
sein und ihre Arbeit verstehen und begleiten.
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Empfehlungen
für die Bildungsarbeit
Die Welt im Ausverkauf - Le Monde
à Vendre
Alexis
Marant. Frankreich 2010, 52 min.
Begründung
der Jury:
Die neue Jagd nach Land ist voll in Gang. Welche Faktoren tragen dazu
bei, welche Akteure sind daran beteiligt, was versprechen sie sich davon
und wie sehen die Auswirkungen bei den betroffenen Menschen aus? Auf diese
Fragen
fokussiert der Regisseur Alexis Marant sein Erklär-Stück. Es
gelingt ihm auf darstellerisch interessante Weise die Zusammenhänge zu
erklären, Akteure zu identifizieren und die Systemfrage zu stellen. Er
zeigt die Träume der neuen Investoren am Beispiel eines indischen Geschäftsmannes
und unterstreicht
die Rolle der Regierungen der von „Land grabbing“ betroffenen Länder
am Beispiel von Äthiopien. In diesem Spiel zwischen den großen Playern
scheint die von Vertreibungen und Zerstörung der Lebensgrundlage direkt
betroffene Bevölkerung noch in einem Schock-Zustand zu sein. Sie kann
nicht begreifen, dass ihr der Zugang zu den Flüssen versperrt wird und
dass sogar Hügel mit religiöser Funktion verkauft werden. Ihr bleibt
nichts übrig, als bei den neuen Landbesitzern zu Hungerslöhnen nach
Arbeit zu suchen. Hinter der Jagd nach Land steckt die Jagd nach einer
noch knapperen Ressource: Wasser. Dies vermittelt der Film deutlich.
Erlesene
Welten
Beatrix
Schwehm. Deutschland
2012, 87min.
Begründung
der Jury:
Wir
empfehlen diesen ruhigen Film für Zuschauer aller Altersgruppen. Er zeigt
drei Menschen in Indien, Kenia und in der Mongolei, die aufgrund eigener
Bildungserfahrungen oder durch ihren Beruf ihre Mission darin sehen, ihren
Landsleuten den Kontakt mit Literatur und Buchwissen zu ermöglichen und
die mit ihren mobilen Bibliotheken vielerlei Hindernisse überwinden müssen.
Ihre mehr oder weniger langen Wege führen uns durch eine Vielzahl
unbekannter Landschaften und Siedlungen – und sie zeigen, wie
Beharrlichkeit und die Bescheidung mit kleinen Schritten wichtige Impulse
für Entwicklungen zu mehr Autonomie und Selbstbewusstsein geben können,
aus eigener Kraft.
Meanwhile
in Mamelodi
Benjamin
Kahlmeyer. Deutschland,
Südafrika 2011, 74 min.
Begründung
der Jury:
Benjamin
Kahlmeyer zeigt in seinem Hochschulabschlussfilm den Alltag einer Familie
in einem Township von Kapstadt während der Fußball-WM in Südafrika. Dem
Regisseur ist es gelungen, eine so entspannte Beziehung zu seinen
Protagonisten herzustellen, dass alle ohne Scheu vor der Kamera agieren,
von ihren Sorgen erzählen und von ihren Träumen. Durch die Wahl seiner
Hauptpersonen, die 17jährige Tochter, die kurz vor dem Abitur steht, und
den Vater, der wegen der Krankheit seiner Ehefrau den Alltag alleine
managen muss, bietet er jüngeren und älteren Zuschauern
Identifikationsfiguren an. „Meanwhile in Mamelodi“ zeigt uns eine äußerlich
fremde Welt, in der die Menschen mit Fragen und Problemen beschäftigt
sind, die wir sehr gut kennen. Besonders beeindruckend ist die nie abreißende
Verbindung der Kamera zu den Protagonisten, so dass wir selbst bei
intimeren Aufnahmen nie den Eindruck haben, Voyeure zu sein. Und die WM?
Sie ist eine aufregende Abwechslung, mehr nicht. Wie bei uns.
Why
Poverty? Give us the Money - Geld für die Welt. Bob Geldof und Bono
Bosse
Lindquist. Frankreich,
Südafrika 2012, 58 min.
Begründung
der Jury:
In den letzten Jahrzehnten haben sich Pop- und Hollywoodstars als
Akteure der globalen Armutsbekämpfung etabliert. Was motiviert sie, wie
verstehen sie ihre Rolle und welcher Strategien bedienen sie sich? Der
Film „Give us the money – Geld für die Welt. Bob Geldof und Bono“
macht einen sehr gelungenen Versuch, am Beispiel von zwei Popstars, einige
dieser Fragen zu klären. Bosse Lindquist zeigt das gemeinsame Engagement
beider Protagonisten von ihrer ersten Kampagne anlässlich der Hungersnot
in Äthiopien bis zu ihren neuesten Aktionen. Der Zuschauer erfährt in
diesem Film den Lernprozess der beiden, ihre Bereitschaft, sich auf
komplexe Zusammenhänge einzulassen und ihre Hartnäckigkeit, für ihre
Sache immer mehr Menschen und neue Allianzen zu bilden. Sie bewegen sich
von den rein karitativen Aktivitäten hin zur Lobbyarbeit, weil sie selbst
progressiv begreifen, dass ohne Transformation der herrschenden Strukturen
etwa in Welthandel und im Schuldenmanagement, der Kampf gegen Armut keinen
Hauch einer Chance hat. Als interessant in diesem Film erweisen sich die
Sichten der AfrikanerInnen, die reichlich zu Wort kommen und die Aktionen
der Popstars kritisch beurteilen. Spannend bleibt der Film bis zum
Schluss, insofern es offen bleibt, welchen Anteil die Popstars an den Veränderungen
haben, dort wo tatsächlich welche eingetreten sind. Empfehlenswert ist
der Film nicht nur für alle, die strukturelle Ursachen von Armut zu
verstehen versuchen, sondern auch für alle, die sich mit Grenzen und Möglichkeiten
des eigenen Engagements auseinandersetzen.
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